Artificial Intelligence in HR Applications: Experteninterview mit Prof. Dr. Dragos Iliescu
Künstliche Intelligenz spielt in immer mehr Bereichen des Lebens eine bedeutende Rolle. In vielen Bereichen kann KI viel Arbeit abnehmen und sogar manche Arbeitsstellen komplett ersetzen. Aber wie weit ist das in der Personaldiagnostik möglich?
ELIGO Managing Director Christian Montel hat dazu mit Prof. Dr. Dragoș Iliescu im Rahmen seines Livestreams „Artificial Intelligence in HR Applications“ gesprochen. Dragoș ist Professor für Psychologie an der Universität Bukarest und außerordentlicher Professor an der Universität Stellenbosch in Südafrika. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen: psychologische und pädagogische Bewertung, Tests und Prüfungen (mit einer wichtigen kulturübergreifenden Komponente) sowie angewandte Psychologie.
Prof. Dr. Iliescu sieht den Nutzen von KI in der Personaldiagnostik aktuell kritisch, blickt aber auch optimistisch in die Zukunft. Was laut ihm eine*n Personaldiagnostiker*in ausmacht, ist die differenzierte, individuelle Beratung von Unternehmen, die darüber hinausgeht, einfach nur eine*n Kandidat*in anhand von Werten auszuwählen oder nicht. Personaldiagnostiker*innen können Eindrücke ausführlich begründen und damit ihre Entscheidung abwägen und gegenüber dem Auftragsgeber erklären. Diese Kompetenz von Beratung hat KI bis jetzt noch nicht erreicht, insbesondere weil KI nicht in der Lage ist zu erklären, wie sie selbst zu Entscheidungen kommt.
Im Gespräch mit Prof. Dr. Iliescu wurde auf folgende Risiken für die Nutzung von KI aufmerksam gemacht, denen Anwendern sich bewusst sein sollten:
- Wahrgenommene Fairness: Kandidat*innen empfinden KI-Unterstützung bei der Auswahl als unfair, da das Gefühl von Objektivität bei einer KI fehlt. Dies kann sich negativ auf das Employer Branding sowie auf das Gefühl von Selbstwirksamkeit im Bewerbungsprozess auswirken. Das ist gerade im Wandel zum Arbeitnehmer*innenmarkt besonders kritisch.
- Ethische Probleme: hier sind weiterhin mehrere Fragen ungeklärt: Wie kommt die KI zu ihren Schlüssen, sind Daten mit ihr sicher aufgehoben, wie erklärt man Kandidat*innen ihre Ergebnisse im Auswahlprozess, was passiert, wenn die KI falsche oder moralisch fragwürdige Entscheidungen trifft?
Gleichzeitig weist Prof. Dr. Iliescu auf einige der vielversprechenden Ansätze für KI hin, unter anderem:
- Itemkonstruktion: KI kann dabei unterstützen, Items für neue diagnostische Verfahren zu erstellen. (vgl. dazu Yavuz Selim Kıyak et al., 2024) 1
- Textanalysen: die Texte wie Anschreiben, Essays, Motivationsschreiben oder Interviews können von KI analysiert und ausgewertet werden. (vgl. dazu Vijaya Shetty et al., 2022)2
- Lebenslauf und Hintergrundanalysen: KI kann dabei unterstützen, die Lebensläufe sowie das Auftreten in Sozialen Medien zu analysieren und auszuwerten. Die Ergebnisse können in eine automatisierte Vorauswahl einfließen. (vgl. dazu Thanh Tung Tran et al., 2023)3
- Vorhersagen von Burnout: Analyse vom Verhalten, das zur Entwicklung von bestimmten Krankheiten führt. An diesem Thema forscht Prof. Dr. Iliescu derzeit.
In den Gesprächen haben wir den Eindruck bekommen, dass die KI im Bereich der Eignungsdiagnostik durchaus solide Unterstützung bietet, insbesondere in Bereichen, in denen die Prozesse bereits gut etabliert sind und gleichzeitig viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen.
Es ist jedoch noch zu früh, vom „Ablösen“ der Berater*innen durch KI zu sprechen. Das Aufbereiten des individuellen Feedbacks anhand von mehreren diagnostischen Instrumenten, welches als Grundlage für weitere Entwicklung dient, bleibt weiterhin bei den Spezialist*innen.
Wollen Sie mehr dazu wissen und tiefer in die Thematik eintauchen? Dann schauen Sie sich gern die beiden Interviews auf unserem YouTube-Kanal oder in unserer Mediathek an und kommen Sie bei Rückfragen und Anregungen gern auf uns zu!
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