Die Erfolgsfaktoren digitaler Assessment Center
Digitale Assessment- und Development-Center (AC/DC) sind ein fester Bestandteil des Recruiting-Alltags geworden – auch für viele Unternehmen, die zunächst wenig Berührungspunkte mit digitalisierten Formaten hatten. Wenn Sie Ihre Center-Verfahren dauerhaft remote durchführen möchten, ist es hilfreich, sie zu optimieren und möglichst zukunftssicher zu machen – denn digitalisierte Assessments bieten bei professioneller Anwendung viele Vorteile. Wir fassen für Sie von der Technik, über die Interaktionen bis hin zur Beobachtungsituation die wichtigsten Aspekte zusammen und geben konkrete Tipps für Ihren Digitalisierungsweg.
Sie haben Lust sich zum Thema auszutauschen? Wir auch!
AC/DC Gesprächsrunde mit Maren Hiltmann am 09. Juni 2021Fangen wir mit einem Thema an, das wohl viele kennen: Digitalisierte Assessments sind immer nur so erfolgreich wie die für sie getroffenen technischen Voraussetzungen. Umso größer können die Unsicherheiten sein, sowohl bei Bewerber*innen, als auch auf der Unternehmensseite. Dazu zählt die Angst vor einem Internetausfall, schlechte Bild- oder Tonqualität oder mangelnde Beleuchtung, aber auch die Sorge, nicht mit den Funktionen der Software vertraut zu sein.
Unser Tipp: Bieten Sie Ihren Kandidat*innen zu jedem AC/DC vorab einen Technik-Check an, in den Sie auch Ihre Kolleg*innen einbinden. Mit solch einem Probelauf sorgen Sie für eine höhere Technikstabilität und vermitteln schon vor dem Assessment allen Beteiligten Sicherheit. Betonen Sie zu Beginn jedes Gespräches, dass Sie bei technischen Problemen den Bewerber*innen kompetent zur Seite stehen und alles mit einer Prise Humor betrachten. So sorgen Sie dafür, dass sich die Kandidat*innen rundum gut betreut fühlen – gute Voraussetzungen, entspannt(er) in das AC/DC zu starten.
In gemeinsamen Projekten mit ELIGO bieten wir solche Technik-Checks als Standard an, unser hauseigenes Support Team ist zudem geübt darin, bei auftretenden Problemen Sie und die Bewerber*innen zu unterstützen.
Eine weiteres Merkmal der digitalen AC/DC ist die so genannte niedrigere soziale Präsenz (Short et al., 1976). Nicht jeder fühlt sich vor dem Laptop am heimischen Schreibtisch so wohl wie in einer regulären Assessment-Situation im Büro. Studien zeigen, dass die Akzeptanz von digitalen Verfahren bei Bewerber*innen tendenziell geringer sein kann (Blacksmith et al, 2016). Weitere Studien thematisieren, dass Bewerber*innen aufgrund der fehlenden vor-Ort-Interaktion schlechter abschneiden können (Basch & Melchers, 2020).
Ein Grund hierfür ist, dass Bewerber*innen in digitalen Assessments in einem viel geringerem Maße Impression-Management-Strategien anwenden können – das eigene Verhalten und damit, wie man auf andere wirkt, kann in virtueller Umgebung weniger gut kontrolliert und gesteuert werden.
Für Recruiter*innen ist das erst einmal durchaus ein positiver Effekt, denn man erlebt Bewerber*innen authentischer und sammelt somit aussagekräftigere Eindrücke. Zugleich jedoch beurteilen Recruiter*innen Bewerber*innen in digitalen Formaten strenger, als wenn sie ihnen direkt gegenübersitzen. Bewerber*innen spüren dies und können Remote-ACs als weniger fair wahrnehmen – mit entsprechenden Folgen für die Annahmequote von Angeboten, das Employer Branding und die hervorgerufene Motivation (Gilliland, 1993; Gilliland & Steiner, 2011; Truxillo & Bauer, 2011).
Entsprechend hohe Bedeutung messen wir der Candidate Experience bei. Stellschrauben sind hier Gestaltungsoptionen, Sicherheit und die Vorteile der technischen Lösung im Gesamtprozess zu vermitteln: Um für Ihre Gesprächspartner*innen präsenter und näher zu wirken und selbst auch zu Ihrem Gegenüber eine Beziehung aufzubauen, empfehlen wir Ihnen, gezielt auf Blickkontakt zu achten. Sprechen Sie Kandidat*innen mehrfach mit ihren Namen an. Und zeigen Sie sich transparent und ansprechbar, indem sie explizit darauf hinweisen, dass Sie offen für Fragen und das Erleben Ihres Gegenübers sind. Erklären Sie, dass Unklarheiten, die während des Verfahrens aufkommen, angesprochen werden können. Nutzen Sie den Vorteil, dass Bewerber*innen authentischer sind, aber erzeugen Sie im gleichen Moment eine soziale Beziehung. So fühlen sich Bewerber*innen wohler, was dazu führt, dass Sie einen guten Eindruck Ihres Unternehmens mitnehmen. Und Ihre Beurteilungen setzen einen ähnlichen Maßstab an wie in einer Face-to-Face-Situation.
Nutzen Sie außerdem auch die Vorteile und positiven Eindrücke für Bewerber*innen, die nur digitale AC/DC mit sich bringen, indem sie diese explizit ansprechen: Während etwa bei einer Gesprächssituation vor Ort wie beispielsweise einem Rollenspiel Kandidat*innen unter ständiger Beobachtung aller anderen Teilnehmer*innen stehen, ermöglicht das Rollenspiel via Videoanruf Bewerber*innen, selbst für eine lockere und weniger angespannte Atmosphäre zu sorgen. Denn die Teilnehmenden können je nach Präferenz die Videos der anderen Teilnehmer*innen ausblenden.
Unser Fazit: Insgesamt erzeugt das digitale Assessment eine höhere Authentizität, Bewerber*innen wenden weniger Impression-Management-Strategien bei der Darstellung ihrer Person an. Und mit einer bewussten Gestaltung des Assessments von Recruiterseite können Sie eine Atmosphäre schaffen, aus der Bewerber*innen mit einer tollen Candidate Experience und Sie mit einer fairen Beurteilung aus dem gemeinsamen Gespräch hinausgehen. Best Practices für die AC/DC-Konzeption setzen sich damit auch online aus folgenden Bausteinen zusammen:
- Definierter Anforderungsbezug
- Strukturierungen (z. B. von Interviewleitfäden)
- Schulung des Beobachtungsteams inklusive Neujustierung der Auswertung und Cut-off-Werte
- sowie der bereits betonten kandidatenorientierten Durchführung in allen Prozessschritten
Teilen Sie unsere Tipps doch mit Ihren Kolleg*innen und probieren Sie sie aus.
Für einen professionellen Blick von außen und eine individuelle Beratung stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung. Wir haben bereits verschiedenste Workflows für unsere Kunden entwickelt und können Sie beim Optimieren Ihrer Lösungen begleiten.
Quellen:
- Basch, J.M., Melchers, K.G. Technologie-mediierte Einstellungsinterviews: Ein Überblick über Befunde und offene Fragen. Gr Interakt Org 51, 71–79 (2020).
- Blacksmith, N., Willford, J. C., & Behrend, T. S. (2016). Technology in the employment interview: A meta-analysis and future research agenda. Personnel Assessment and Decisions, 2(1), 12-20. Burnett, J. R., & Motowidlo, S. J. (1998). Relations between different sources of information in the structured selection interview. Personnel Psychology, 51, 963-983.
- Gilliland, S. W. (1993). The perceived fairness of selection systems: An organizational justice perspective. Academy of Management Review, 18,
- Short, J., Williams, E., & Christie, B. (1976). The social psychology of telecommunications. Wiley
- Truxillo, D. M., & Bauer, T. N. (2011). Applicant reactions to organizations and selection systems. In S. Zedeck (Ed.), APA handbooks in psychology®. APA handbook of industrial and organizational psychology, Vol. 2. Selecting and developing members for the organization (p. 379–397). American Psychological Association.